Warum eigentlich kostenloser ÖPNV für alle?

Sind nicht Elektroautos die Mobilität von morgen?

Dass Autofahren klimaschädlich ist, ist nichts Neues. Aber auch die als „grün“ und „zukunftsweisend“ angepriesenen E-Autos sind keine nachhaltige Alternative für eine gerechte Mobilitätswende. Die Herstellung eines Elektroautos produziert fast doppelt so viel CO 2 wie die eines herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor. Das liegt vor allem an den Batterien, die nicht zuletzt große Mengen Lithium enthalten, das fast ausschließlich in Schürfgruben in Südamerika gewonnen wird. Das sogenannte „Lithiumdreieck“ in den Salzwüsten von Argentinien birgt rund 70 Prozent des Weltweit geschätzten Lithium Vorkommen. Durch den industrialisierten Abbau ausländischer Konzerne im Interesse von KapitalistInnen, die die Klimakatastrophe als Chance sehen Ihr Vermögen durch „nachhaltige Innovationen“ zu steigern, wird die Lebensgrundlage von heimischen Tierarten und den Kollas, der Indigenen Bevölkerung Argentiniens massiv bedroht. Besonders an diesem Beispiel zeigt sich, das Neo-Koloniale Strukturen abgebaut werden müssen um eine Klimagerechte Welt für alle aufzubauen. Darüber hinaus, wird Strom in Deutschland zum Großteil durch Gas- und Kohlekraftwerke sowie mit Kernenergie produziert, weshalb ein E-Auto momentan über 100.000 km zurücklegen muss bevor es eine bessere CO 2 -Bilanz aufweist als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Dabei beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung der Batterie nur zehn Jahre. Auch das Recycling von Akkus und Batterien bereitet uns schon jetzt ökologische Probleme. Es ist klar: eine wirklich nachhaltige Perspektive erfordert eine massive Reduktion des Individualverkehrs, sowie den strukturellen Ausbau des ÖPNV und keine hochmodernen Elektroautos, zu dem nur ein kleiner Teil der Gesellschaft Zugang hat.

NahFAIRkehr und soziale Gerechtigkeit

Die Mobilitätswende muss neben ökologischer Nachhaltigkeit auch soziale Gerechtigkeit zum Leitsatz haben. Mobilität ist ein öffentliches Gut, dass wie andere öffentlichen Güter – etwa wie schulische Bildung – allen Bürgerinnen, unabhängig von sozialem Status, Erwerbstätigkeit, Einkommen, Staatsbürgerschaft und Privilegien zur Verfügung stehen muss. Daher fordern wir eine solidarisch finanzierte, unentgeltliche Nutzung des ÖPNV. Dabei ist es wichtig sich solidarisch an die Seite der Beschäftigten der entsprechenden Betriebe zu stellen. Stark variierende Löhne innerhalb verschiedener Berufsklassen treffen insbesondere ArbeiterInnen in Subunternehmen und privaten Firmen, die im Auftrag kommunaler Verkehrsunternehmen angestellt sind. Ihr Gehalt liegt deutlich unter dem Durchschnitt, da für sie ein anderer Tarifvertrag gilt. Beispiele für die niedrige Wertschätzung und die strukturelle Ungleichbehandlung von Menschen innerhalb des ÖPNV Sektors bieten uns unter anderem die in Bonn ansässigen Subunternehmen „Univers“ und „SWB Mobil“, dessen einziger Zweck es ist, niedrige Löhne zu zahlen und ungerechte Arbeitsbedingungen zu generieren. Mehr ÖPNV darf nicht heißen mehr Kapital für EigentümerInnen, auf dem Rücken von Angestellten.Während bei den Mitarbeiterinnen der Deutschen Bahn inmitten der Corona-Krise an den Löhnen gespart wird, sollen drei Vorstände ab 2023 noch mehr Geld verdienen. Auch 80 Führungskräfte von Konzerntöchtern wie der Güterbahn DB Cargo oder dem Regionalbahngeschäft DB Regio sollen in Zukunft deutlich höhere variable Gehälter erhalten. Die Aneignung der Produktion und Bereitstellung lebensnotwendiger Grundbedürfnissen etwa wie Wohnen, Nahrung, aber auch Mobilität, ist eine zu brechende Kontinuität im Kapitalistischen System und kann nicht durch kleine Reformen gerecht gestaltet werden.

Vorteile von ÖPNV

Auf sozialer Ebene bedeutet dies eine Erhöhung der Lebensqualität für alle. Wenn immer mehr Menschen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, bedeutet dies weniger Unfälle, mehr Sicherheit für Fußgängerinnen und Radfahrerinnen, geringere Lärmbelästigung, weniger Feinstaub und damit gesündere Luft. Menschen, die durch das Auto fixierte Verkehrssystem häufig durch sozialen Ausschluss von Mobilität betroffen sind, wird die Teilhabe an gesellschaftlichem Leben wieder einfacher möglich. Dies betrifft insbesondere Menschen, die durch steigende Mietpreise in die Vororte verdrängt werden und gesellschaftliche Gruppen wie Ältere, Minderjährige, Menschen mit Behinderungen sowie sozial und finanziell Benachteiligte. Es hieße außerdem das Ende für die Kriminalisierung des „Schwarzfahrens“, ein sog. „Armutsdelikt“. Schluss mit der repressiven Sozialpolitik, durch die gegen Menschen, die das Beförderungsentgelt nicht bezahlen können, Strafverfahren eingeleitet werden, was soweit führt, dass 7.000 Menschen in Deutschland jedes Jahr wegen Schwarzfahren im Gefängnis landen. Klar ist: je später eine radikale Mobilitätswende erfolgt, desto höher werden die gesellschaftlichen Kosten sein – und die werden immer die Bürgerinnen zahlen. Die herrschende Produktions- und Konsumweise hat keine Zukunft: Berechnet man all die Kosten ein, die beim Autoverkehr bisher nicht von den Kostenverursacherinnen gezahlt werden, dann ist klar: Der ÖPNV ist volkswirtschaftlich viel billiger als motorisierter Individualverkehr. Alles andere sind Märchen, hinter denen konkrete Wirtschaftsinteressen stehen. Diese sind auch Grund für internationale Konflikte bis hin zu Kriegen um Rohstoffe und Öl. Die Ungleichverteilung von Verursacherinnen und Leittragenden verschärft die globale Ungerechtigkeit. Die Lobbyistinnen und Kapitalistinnen wollen uns weismachen, dass die private Organisation öffentlicher Güter effizienter und günstiger sei. Eine Behauptung, die längst mehrfach widerlegt ist – in über 100 Städten weltweit wird bereits der ÖPNV zum Nulltarif umgesetzt, um das Recht auf Mobilität für alle zu sichern. Die Etablierung eines unentgeltlichen Nahverkehrssystems ist zwar kein Allheilmittel für soziale Ungleichheiten. Doch sie ermöglicht eine zunehmende Gleichstellung der Bevölkerung, wenn endlich alle Bürgerinnen uneingeschränkt Zugang zu Bus und Bahn haben.

CO2-Steuer/Spritpreiserhöhung

Das Übertragen der Verantwortung von PolitikerInnen und KapitalistInnen auf Konsumierende, ist ein beliebtes Mittel der herrschenden Klasse, nicht nur um Verantwortung abzugeben, sondern auch um den Markt als effektives Instrument des Klimaschutzes zu erklären. Eine Co2 Steuer ist nur eines von vielen Beispielen, dass die Aufmerksamkeit vom Scheitern des gesamten Wirtschaftssystems, auf das Individuelle Fehlverhalten einzelner Menschen lenken soll. Bereits 1990 wurden in Finnland Erdgas, Erdöl und Kohle mit einer C02- Steuer versehen. Das bewirkte rückblickend jedoch nicht den versprochenen Erfolg der Reduktion fossiler Brennstoffe, sondern verschärft die Ungleichheit zwischen Lohnabhängigen und Kapitalistinnen noch weiter. Die Forderung nach einer CO 2 -Bepreisung ist dabei nicht einmal rational nachvollziehbar, denn faktisch sind die 100 reichsten Konzerne für rund 71% der weltweiten Schadstoffemissionen verantwortlich. Genau diese Konzerne wären problemlos in der Lage eine entsprechende Steuer zu zahlen, ganz im Gegensatz zu lohnabhängigen Menschen (insbesondere im ländlichen Raum) dessen Arbeit in der Regel eine Mobilität voraussetzt.